Im Biomarkt Neubrandenburg zwingt die Corona-Krise zu komplett anderer Arbeitsstruktur
Nudeln, Reis, Hülsenfrüchte, auch Haferflocken, Mehl und Hefe waren gefragt wie selten zuvor. Zwar blieben die vielerorts typischen Hamsterkäufe im Bioladen in Neubrandenburg aus. Doch Lücken im Sortiment gibt es mittlerweile auch hier. Aber das Team um Michael Kruse versucht sein Bestes.
„Obwohl unsere Kunden hier in Neubrandenburg überwiegend rücksichtsvoll und gelassen mit der Situation umgehen, machen sich Engpässe bei bestimmten Produkten, insbesondere lagerbare Waren, auch bei uns im Laden bemerkbar“, sagt Inhaber Michael Kruse. „Solche extremen Abverkäufe sind von den Produzenten und Lieferanten eben nicht von einem zum anderen Tag auszugleichen.“ Da stelle sich die Situation im ohnehin meist viel kleinteiligeren Bio-Bereich sowieso immer noch etwas anders dar.
Schicht-System aus Verantwortung
Eine Herausforderung ist die Corona-Krise für Michael Kruse gleich in mehrfacher Hinsicht. Vor allem der Schutz und die Verantwortung für seine Mitarbeiter stehen ganz oben. Deshalb wird jetzt im Schicht-System gearbeitet: Ein Team übernimmt die Vormittagsschicht bis 12 Uhr. Danach wird der Laden gereinigt, bis zum 13 Uhr das nächste Team den Nachmittagsdienst bis 18 Uhr übernimmt. Ein drittes Team ist nach Ladenschluss für die Zusammenstellung der Bestellungen im Lieferservice zuständig. „Wir fahren gerade eine komplett andere Arbeitsstruktur als normal. Dadurch ist leider auch unser soziales Miteinander gerade auf ein Mindestmaß reduziert“, bedauert Michael Kruse. Aber aus Verantwortung zu seinen Mitarbeitern hat er sich zu diesen drastischen Maßnahmen entschieden.
Sozialer Treffpunkt darf gerade nicht sein
Auch der Kontakt zur Kundschaft ist derzeit auf das Nötigste beschränkt: Glastrennwand als Spuckschutz an der Kasse, möglichst keine Beratungsgespräche, kein sonst üblicher Klönschnack untereinander. „Uns geht es derzeit nur darum, den Laden am Laufen zu halten, und das Risiko dabei möglichst gering zu halten“, so Kruse. „Dass ich dafür auch schon mal Kunden nicht in den Laden lassen kann, weil dieser gerade voll ist, hätte ich mir vorher nie träumen lassen.“ Das, was den Biomarkt sonst ausmacht, ein sozialer Treffpunkt für die Kundschaft zu sein, fällt jetzt völlig flach. Die meisten Kunden hätten jedoch dafür Verständnis, kommen zum Einkaufen dann jetzt eher alleine und auch nur einmal pro Woche für einen größeren Einkauf, statt für mehrere kleine Besorgungen mehrmals pro Woche, benutzen die ausgelegten Einweghandschuhe. „Ich habe den Eindruck, dass unsere Stammkunden jetzt sogar noch bewusster bei uns einkaufen, weil sie wissen, was sie an uns und unseren Produkten haben“, so Kruse.
Biobranche liefert gute Antworten für danach
Im Grunde biete seine Branche schon eine gute Antwort auf das, was nach der Krise kommen sollte. „Diese globalen Strukturen, auch im Bereich der Lebensmittelversorgung, sind eine große Schwachstelle unseres Wirtschaftssystems“, sagt er. „Das praktizieren wir in der Bio-Branche seit jeher schon ganz anders, kooperativer, viel regionaler, nachhaltig und fair.“ Leider wüssten das noch viel zu wenige Menschen zu schätzen. Nicht nur die Politik sei hier gefragt, sondern vor allem auch die Konsumenten. „Jeder sollte sich darüber Gedanken machen, wo seine Lebensmittel herkommen, wo und wie sie produziert werden, unter welchen Bedingungen. Es muss wieder ein Bezug zum Produkt entstehen. Wenn jeder sich darüber mehr Gedanken machen würde, wären wir schon auf dem richtigen Weg.“
Von Manuela Heberer