Minjae Lee ist Artist of Residence in Demmin und zeigt zweiwöchige Live-Performance im Marienhain
In einen leeren Raum baut Künstler Minjae Lee seit Montagabend einen leeren Raum – nur mit seiner Atemluft. Im Pavillon im Demminer Marienhain findet damit bis zum 27. September die Abschlussausstellung des diesjährigen Artist in Residence-Programms des Demminer Kulturrings statt. Vierzehn Tage lang wird der leere Raum nun wachsen. Interessierte sind eingeladen, vorbeizukommen oder die Entstehung per Livestream zu verfolgen.
Angst ist beherrschendes Thema
Seit Minjae Lee im Jahr 2013 nach Deutschland kam, ist Angst ein beherrschendes Thema seiner Arbeiten. „Obwohl ich ein erwachsener Mensch bin, fühle ich mich wie ein kleines Kind, weil ich mich mit Worten in der für mich fremden Sprache oft nicht richtig ausdrücken kann.“ So hat er während seines Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München bereits mehrere Räume zu diesem Thema inszeniert. Seine erste Arbeit in Deutschland nannte er „Schweigeraum“. Eine kleine Geschichte, nur 16 Sätze, schrieb er mit Spezialstift auf Folie, zu lesen nur unter UV-Licht. Sobald ein Besucher den Raum betritt, verschwindet das Licht, es ist dunkel, die Geschichte nicht mehr zu lesen. „Obwohl man seine Probleme vielleicht mit anderen Menschen teilen möchte, schweigt man, sobald jemand vor einem steht“, erklärt es Minjae.
Licht- und Soundeffekte
In einer anderen Arbeit, „Angst vor Angst“, inszeniert er einen Korridor, ebenfalls mit Sätzen, die nur mit UV-Licht lesbar sind. Diese aber so übereinandergelegt, dass sie eigentlich gar nicht zu lesen sind. Betritt der Besucher den Korridor, sorgen zuckende Licht- und Soundeffekte für eine unruhige Atmosphäre, ein ungutes Gefühl in diesem Korridor beschrieben mit Gedanken der Angst.
Körper als Teil der Performance
Auch sein eigener Körper wird häufig Teil seiner Performances. So bewegte er sich für seine Arbeit „Engster Korridor“ selbst stundenlang durch einen nur 27 Zentimeter schmalen Gang zwischen zwei Wänden, die er mit Kreide beschrieb. Immer wieder der Satz: „Du brauchst keine Angst zu haben.“ Und immer wieder verwischte er die Schrift durch die Enge des Raumes mit seinem Körper. Durch 14 Türspione konnten die Besucher Minjae Lee dabei beobachten.
Ein Raum aus Atemluft
In Demmin wird Minjae Lee auch wesentlicher Teil seiner Performance sein. Im Pavillon im Marienhain wird er einen leeren Raum erschaffen, einen Ballon nur mit seiner Atemluft füllen und so zum Entstehen bringen. Jeden Tag von 13 bis 20 Uhr wird er damit beschäftigt sein. Lichter und Helligkeit werden sich mit seinen Atemzügen verändern. Wieder ist es die Angst, die ihn dabei beschäftigt. Die soziale Angst, die leere Angst. Der Ort passe dafür sehr gut, sagt Minjae Lee. So ist auch der Marienhain scheinbar ein verlassener Ort, ohne nennenswerte Spuren der Vergangenheit. Nichts erinnert an die Kirche, die hier vor Jahrhunderten gestanden hat, den Friedhof, der hier existierte. An diesem Ort setzt sich Minjae Lee nun ein weiteres Mal mit dem Thema Angst auseinander. Nutzt dafür das einzige, was beweist, dass er als Mensch existiert, dass er lebt: Seinen Atem.
Zwei Wochen Live-Performance
Seit Anfang August hat Minjae Lee diese Performance vorbereitet. Im Pavillon wurden die Wände hergerichtet, verputzt und gestrichen, Lichter wurden installiert. Es ist das erste Artist of Residence-Stipendium des Künstlers. Der Weg in die Kleinstadt war für ihn eine neue Erfahrung. Aufgewachsen in der Nähe von Seoul in Südkorea, lebt und arbeitet er seit Jahren in München. Seine Bewerbung für das Stipendium war eine von 24. Eine achtköpfige Jury hat in Demmin jede einzelne nach einheitlichen Kriterien bewertet und Minjae Lee ausgewählt. Die zweiwöchige Performance ist der Abschluss seines Aufenthaltes in Demmin.
Von Manuela Heberer